Der Disclaimer - ein Unsinn?

Der "Disclaimer"

11.03.2011 - JB - Justitia auf dem Gerechtigkeitsbrunnen am Frankfurter Römerberg. Justitia ist die römische Göttin der Gerechtigkeit und des Rechtswesens. Als solche wird sie auch heute noch oft als Wahrzeichen für die Justiz verwendet. Doch der "Disclaimer" oder auch "Haftungsausschluss" genannt, wird immer wieder völlig falsch verstanden - und immer wieder falsch verwendet.

Wer kennt nicht diesen "Spruch", den man auf fast jeder Internetseite finden kann, erstaunlicherweise sogar auf professionellen Internetseiten. Ich habe mich mal auf die Suche gemacht, und mich da mal schlau gemacht. Hier das Ergebnis;

Folgendes kann man immer wieder auf Internetseite lesen, doch das ist praktisch immer Unsinn!

Der Haftungsausschluss

>Mit dem Urteil vom 12. Mai 1998 hat das Landgericht Hamburg entschieden,
>dass man durch die Ausbringung eines Links die Inhalte der gelinkten Seite
>ggf. mit zu verantworten hat. (312 O 85/98 -Haftung für Links). Dies kann
>-so das Landgericht- nur dadurch verhindert werden, dass man sich
>ausdrücklich von diesen Inhalten distanziert. Auf dieser Homepage sind Links
>und Banner zu anderen Seiten im Internet eingerichtet. Für alle diese Links
>gilt: Wir distanzieren uns ausdrücklich von den Inhalten der Links in unserer
>Homepage, und betonen ausdrücklich, dass wir keinerlei Einfluss auf die
>Gestaltung und Inhalte der gelinkten Seiten und deren weiterführende Seiten
>haben. Diese Erklärung gilt für alle auf unserer Homepage ausgebrachten
>Links und Banner, und für alle Inhalte dieser Linkseiten, deren Banner
>oder deren Links.

Was soll damit erreicht werden?

Oft beinhalten sie also wie oben zu sehen, Distanzierungen von Links und Gästebucheinträgen oder Haftungsausschlüsse für fremde Einträge in Foren. Mit Disclaimern sollen rechtliche Schwierigkeiten vermieden werden. Aber welche tatsächliche Relevanz haben Disclaimer überhaupt, und können sie wirklich Haftung oder Verantwortung von Webseiten-Betreibern abwenden?

Der Fall, der wirklich dahinter steckt

Der Beklagte betrieb auf seiner Webseite eine Liste mit Links zu Seiten, deren Inhalte die Persönlichkeitsrechte des Klägers verletzten. In der Hoffnung er könne einer rechtlichen Verfolgung entgehen, fügte er der Liste einen Haftungsausschluss für die Inhalte der verlinkten Seiten hinzu. Diese war nach Ansicht des Landgerichts unwirksam. Er hätte sich ganz speziell von den Meinungen über den Kläger auf den verlinkten Seiten distanzieren müssen. Das Gericht hat hier ganz klar erkannt, dass die Distanzierung nur erfolgte, damit der Beklagte völlig frei auf die beleidigenden Inhalte verlinken konnte. Und genau deswegen hat er sich gerade durch die Distanzierung die fremden beleidigenden Inhalte zu eigen gemacht, und war für sie mitverantwortlich.

Zur Erklärung dieses vermeintlichen Paradoxons

Jemand übergibt der Kriminalpolizei eine eidesstattliche Erklärung, mit der er sich von Banküberfällen distanziert. Anschließend stürmt er bewaffnet die nächste Bank und überfällt sie. Ist er jetzt von einer Strafverfolgung ausgeschlossen, weil er sich von der Straftat vorher distanziert hat? Nein, natürlich nicht. Haftungsausschlüsse können keine Gesetze außer Kraft setzen, daher ist eine Distanzierung von Straftaten nichtig. Im übrigen ist es grundsätzlich nicht nötig, etwas "zu bestätigen", was sowieso "Gesetz" ist. Es ist z.B. deswegen auch unsinnig, der Polizei schriftlich zu bestätigen, dass man niemals über eine rote Ampel fahren wird. Es ist deswegen unsinnig, weil es sowieso verboten ist. Man muss also nicht bestätigen, dass man sich daran hält.

Also, was bedeutet das denn nun alles?

Die Sache ist doch die. Auf der einen Seite baut man Links ein, weil man sich etwas davon verspricht, z.B. ist auf der anderen Seite auch ein Link zu der eigenen, so kommen also zusätzliche Besucher auf die eigene Site. Man hat also einen Vorteil. Andererseits schreibt man, das man sich von den Inhalten der fremden Links distanziert, und das man sich vermutlich auch (wenn vorhanden) von den Gästebucheinträgen distanziert. Aber all das ist ein Paradoxum. Dann könnte man auch gleich schreiben; ich finde alle Links auf meiner Seite "total blöd", und auch die Gästebucheinträge sind zum "kotzen". Aber ändern würde das auch nichts.

Vielleicht sogar eine zusätzliche Gefahr?

Und was bedeutet das außerdem? => Nun, es ist eine Beleidigung für die Betreiber der anderen Seite (von denen man sich ja distanziert), und eine Beleidigung für die Gästebuchschreiber. Eine Beleidigung aber ist ebenfalls rechtswidrig, und kann ebenfalls verfolgt werden......von genau den Leuten, die die Gästebucheinträge geschrieben haben!

Das Urteil des Landgerichts Hamburg

Was genau besagt denn nun das Urteil des Landgerichts Hamburg zur Linkhaftung vom 12. Mai 1998?

Das Urteil macht durchaus Sinn. Man muss nicht öffentlich erklären, das man sich an Gesetze hält, halten möchte, oder dies zumindest versucht. Wie sollte das auch möglich sein. Es gibt so viele Rechtsbereiche, die alle zu beschreiben, in einem Disclaimer, das würde eine unendlich lange Liste ergeben. Was ist mit den vielen Internetseiten, die keinen Disclaimer haben? Verstoßen die alle gegen irgendwelche Rechte? Natürlich nicht! U.U. ist genau das Gegenteil der Fall.

Es hat sich im Netz eine Kultur von Disclaimer-Kopierern entwickelt. Hier wird einfach kopiert (der Disclaimer), was das Zeug hält, weil das ja auf "allen" Seiten so gemacht wird, in der Hoffnung, man wäre dann auch auf die richtige, auf die sichere Seite. Außerdem ist es auch so, das durch die hohe Verbreitung dieser unsinnigen "Disclaimer" viel mehr Rechtsunsicherheit, als Rechtssicherheit erreicht wird.

Die Folgen: Angst

Die Folge kann auch sein, das Ängste vor neuen Technologien geschürt werden. Eine Distanzierung ist außerdem, wie schon erwähnt, eine Beleidigung für die verlinkte Webseite und deren Betreiber, auch für die Urheber der Gästebucheinträge. By the way: würden Sie sich eigentlich wirklich gerne in ein Gästebuch eintragen wollen, wobei sich der Seitenbetreiber ausdrücklich von Ihren "Geschreibsel" distanziert? Wohl kaum. In vielen Bereichen ist die Rechtslage unsicher und ändert sich oft. Ein Disclaimer kann an der Rechtslage nichts ändern. Auch kann ein Disclaimer bei einem Gesetzesverstoß keine Ausrede sein und auch keine Schuld abweisen.

Persönliche Meinung; Disclaimer sollten schnellstmöglich aus dem Internet verschwinden.

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